Magazin PdS

Editorial

 
 
 
 

100. Geburtstag von Bert Hellinger

Bert Helliger wäre am 16.12.2025 hundert Jahre alt geworden. Seine Ideen wirken heute weiter in der Arbeit der meisten Familien- und Systemaufstellern und Aufstellerinnen. Als Zeitschrift stehen wir auf der Arbeit vieler Kollegen und Kolleginnen, die sich an Bert Hellinger gerieben haben, die ihn interpretiert, bestätigt und kritisiert haben. Vieles ist geschehen, Vieles entstanden in der Folge seiner praktischen Arbeit und in der Rezeption seiner Schriften. Dafür sind wir als Aufsteller und Aufstellerinnen in dieser Redaktion dankbar. 
In der einen oder anderen Weise stellen seine Konzepte, seine Sichtweisen und Erkenntnisse die Grundlage vieler neuen und alten Entwicklungen im Bereich der Aufstellungsarbeit dar. Vieles hat sich bewährt, vieles wurde inzwischen zur Seite gelegt und vieles muss im Lichte der gesellschaftlichen Wandlungen neu erfunden werden. Der hundertste Geburtstag lädt ein zu fragen:

  • Welche Kernprinzipien seiner Arbeit sind heute besonders relevant, und wo brauchen wir neue Konzepte?
  • Wie lässt sich Ethik und Kompetenz in der Aufstellungsleitung heute sicherstellen?
  • Wie können wir die allgegenwärtigen kulturellen Unterschiede, Traumen und die gesellschaftlichen Veränderungen in unsere Arbeit integrieren?
  • Welche Rolle spielen heute Zugehörigkeit und Transgenerationalität im Umgang mit Herkunftsfamilien?
  • Welche Weiterentwicklungen sind, unter aktuellen gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und praktischen Sichtweisen betrachtet, sinnvoll?

Sie finden in der PdS Texte von Bert Hellinger und Texte und Videos über Bert Hellinger. Nutzen sie zur Suche dazu die beiden Datenbanken “Datenbank PdS” und “Printarchiv”. Eine Anleitung dazu finden sie unter Hilfe”. Lesen Sie auf dieser Seite weiter unten einen Beitrag, “In die Welt hinaus geschaut” in dem es unter anderem auch um Bert Hellinger geht.

Und: Teilen Sie Ihre Gedanken mit uns. Schreiben Sie ein paar Zeilen und teilen Sie uns mit, was Sie mit Bert Hellinger und dem heutigen Tag verbinden. Wir stellen es auf diese Seite:
redaktion@praxis-der-systemaufstellung.com

O.N.

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PdS im Netz - Version 2.0

Mit der Unterstützung der DGfS ist die “Praxis der Systemaufstellung” nun vollständig ins Internet eingezogen und damit auch in eine neue Phase ihrer Entwicklung eingetreten.

Die Webseite hält eine große Anzahl von Aufsätzen, Videos und Audios zum Thema Aufstellungen für Sie bereit. Neuere Veröffentlichungen ab 2017 sind in der sog. Datenbank, ältere bis zurück in das Jahr 1998 im Printarchiv zu finden. Gleich hier, auf den Seiten der Datenbank, des Printarchivs und am unteren Seitenrand geht es zur Hilfe mit Tips für Ihre effiziente Recherche auf der Webseite. Probieren Sie es einfach aus – es lohnt sich …

Olivier Netter
(Redaktion)

Arne Strohbach
(Webdesigner)

Daphne Georgiadis
(Gestalterin)

In die Welt hinaus geschaut

Die gestundete Zeit

Es kommen härtere Tage.
Die auf Widerruf gestundete Zeit
wird sichtbar am Horizont.
Bald mußt du den Schuh schnüren
und die Hunde zurückjagen in die Marschhöfe.
Denn die Eingeweide der Fische
sind kalt geworden im Wind.
Ärmlich brennt das Licht der Lupinen.
Dein Blick spurt im Nebel:
die auf Widerruf gestundete Zeit
wird sichtbar am Horizont.

Es kommen härtere Tage

(Ingeborg Bachmann)

Ein düsteres Gedicht zu Anfang? Lässt sich denn die aktuelle Stimmung in mir und um mich herum anders auf den Punkt bringen? Wo stehen wir gerade als Beobachter und Akteure, als Betroffene und Erstaunte, als Bestürzte und Hoffnungsfrohe und als Aufstellerinnen und Aufsteller in einer Gegenwart vielversprechender, aber vor allem beunruhigender Veränderungen und Ereignisse auf globaler Ebene? Lässt sich das auf nüchtern vernünftige und neutrale Weise einfach so ohne weiteres zur Kenntnis nehmen? Ich jedenfalls spüre – nein. Vieles von dem, was um uns herum geschieht, geht unter die Haut und hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck.

Verschiedene gesellschaftliche, politische und neuerdings auch religiöse Themen und Konflikte rücken oder drängen ins Bewusstsein. Mir scheint, wir werden im Ergebnis durch die Verschiebungen in der Welt schon seit längerem zu etwas genötigt, was wir so als Gesellschaft (noch) nicht besonders gut können: Klar und eindeutig Stellung beziehen und damit die eigenen Werte schützen und deutlich machen! Was hat das aber, gesetzt der Fall, dies wäre eine zutreffende Aussage mit  uns als Aufstellende zu tun?

Jede Methode, also auch unsere, enthält in ihrer internen Organisation und Form auch eine implizite Qualität und Botschaft. Sie atmet in gewisser Weise einen bestimmten Geist der spürbar ist für die, die die Methode benutzen und daran teilhaben. Sind wir uns heute dessen im Detail bewusst? Als Stellvertreterinnen und Stellvertreter, als Leiter und Leiterinnen sind wir bereit, uns für alles zu öffnen, was an dieser Stelle wahrzunehmen ist. Unsere gesellschaftliche kulturelle und individuelle Freiheit oder Unfreiheit, neue Tabus, Verbote, unsere innere mentale Unklarheit oder Klarheit als Verband und als Einzelne haben deshalb mit dem Stuhlkreis unserer Seminare und Intervisionsgruppen mehr zu tun, als wir bislang wussten.  

Erinnern wir uns: Das gleiche galt, wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen, im hohen Maß für die ersten Anfänge der Aufstellungsarbeit. Öffentliche Kontroversen auszulösen und mutig durchzustehen war einmal das Markenzeichen der Aufstellungsarbeit. Gerade die sperrige, beharrende, scheinbar völlig in sich selbst verankerte Persönlichkeit Hellingers öffnete im Rückblick den Raum und das Feld für viele ganz neue aber auch unliebsame Erkenntnisse. Viele Kernaussagen, Erkenntnisse und Techniken der ersten Jahre waren für viele Beobachter ein Ärgernis und wurden bekämpft, für viele waren sie aber auch ganz zu Recht Offenbarungen. Auch die dazu nötigen Mittel, Aufstellung und Stellvertretung, um nur zwei zu nennen, waren neu und ungewohnt. Von Mainstream und Anschlussfähigkeit war für diese Mittel und die durch sie gewonnenen Einsichten keine Rede. Für Hellinger war seine Rolle dabei aber persönlich alles andere als einfach – wie wir heute wissen.

Die gerade auch in in unserer gewachsenen europäischen Kultur verankerte Freiheit und Wahrheit ist in der sich entfaltenden Dynamik einer Aufstellung, in den Herzen der Teilnehmenden die Bedingung der Möglichkeit für das Aufstellen überhaupt. Menschlichkeit und Anteilnahme frei von religiösen Dogmen und staatlichen Verboten müssen dann dazu kommen, soll das Ganze einen Sinn haben. Wie soll sich durch eine Aufstellung denn mehr zeigen können, als das, was sowieso schon bekannt und akzeptiert ist, wenn die Beteiligten innerlich und äußerlich nicht befähigt oder bereit sind, sich falls nötig, von der Übereinstimmung mit der Umgebung oder einem Dogma, zu lösen? Der handliche Begriff Phänomenologie und alles, was damit einhergeht, verdeckt an dieser Stelle das eigentliche Problem, nämlich die Nötigung, sprich: den Mut haben zu müssen, der nötig ist, sich auch gegen diesen subtilen Druck zur Übereinstimmung  oder  Unterwerfung, nur der inneren Wahrheit des Momentes zu verpflichten. Wo und wie kann solcher Mut entstehen, wenn nicht auch in einer Stellvertretung oder einer Leitung, aber ist solcher Mut aktuell wirklich hoch angesehen?

Nicht nur die Welt um uns herum hat sich verändert. Auch unsere Methode ist vielfach spontan, ungeplant und unerwartet in die verschiedensten Bereiche vorgedrungen und hat dabei selbst unterschiedlichste Veränderungen erfahren, die auch gesellschaftliche und kulturelle Wandlungen spiegeln. Diese kulturellen Wandlungen sind meist kreative Wege der aktiven Adaptation an neue Verhältnisse oder sie reagieren passiv auf äusseren Druck. Ob diese oder jene Adaptation hilfreich, illusionär oder unter dem Eindruck potentiell traumatisierender Kräfte nur ausweicht, ist zunächst oft nicht klar. Mir geht es darum fest zu stellen: Was neu ist, ist nicht in jedem Fall auch gut.

Einerseits ist also viel Neues entstanden, andererseits ist vieles in den Hintergrund getreten oder wie von selbst verschwunden, was an sich zum Kernbestand des Aufstellens gehört hat. Das lässt sich in der Abfolge der Artikel und Beiträge der letzten Jahre klar nachvollziehen. Allgemeine gesellschaftliche, kulturelle und technische Entwicklungen haben daran wie gesagt einen großen Anteil. Aufstellerinnen und Aufsteller sind wie alle anderen auch nur Kinder ihrer Zeit und bringen sich mit „ihren“ gewandelten Auffassungen als Vermittler der neuen Gegenwart in diesem besonderen Hier und Jetzt ganz selbstbewusst ein. So weit, so gut.

Um es nochmals zugespitzt zu formulieren: Wie viel Illusion und naiver Optimismus, wie viel verdeckte Ohnmacht und unbewusste Kapitulation vor wahrnehmbaren machtvollen  Entwicklungen im öffentliche Raum, wieviel halb bewusste Ängste und Befürchtungen vor Ausschluss und Verurteilung müssen im Aufstellen in dieser Zeit mutig zur Seite geschoben oder ängstlich gehorsam in die Methode integriert werden? Welcher innere oder äußere Druck lastet in dieser Hinsicht auf jeder Aufstellerin und jedem Aufsteller?

Andererseits: Unerwarteten Ressourcen und kraftvolle Verbündete sind uns allen auch zugewachsen! Geteilte Überzeugungen unter Kollegen und Kolleginnen, Feinfühligkeit, Kooperation, Kollaboration, Pluralität, Wertebezogenheit und guter Wille auch auf internationaler Ebene sind entstanden. Sie können oft schon aufwiegen, was an absurden, zum Teil auch inhumanen Systemen der Manipulation und Unterdrückung auf technischer, politischer und religiöser Ebene ganz nah und auch ganz fern, entstanden oder einfach nur in unser Bewusstsein und unseren Horizont gerückt ist.

Der Wandel gehört dazu. Warum also nicht jetzt und in Zukunft grundsätzliche Dinge festhalten, die für uns unerlässlich zum systemischen Aufstellen dazugehören? Neben der allgemeinen uns zu Recht so wichtigen Erlaubnis untereinander fast alles zu tun und zu lassen, was immer uns beliebt, gibt es doch auch einen Grundbestand, zentrale Überzeugungen und Werte, an denen wir, aus gutem, noch zu benennendem Grund, hängen und auf die wir, jeder und jede auf ihre Weise, bestehen. Differenzen im kollegialen Umfeld zu diskutieren ist das Eine – schwierige, problematische gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen erkennen und darauf reagieren, das Andere.

Das Kräfteverhältnis zwischen der sich entwickelnden, zum Teil sehr unerfreulichen Realität vor unseren Augen und uns als Beobachterinnen und Beobachter, um nicht zu sagen Stellvertretern ist ein sehr unausgewogenes! Und doch müssen wir klug darauf reagieren, wollen wir uns persönlich und menschlich weiterentwickeln ohne innerlich zu kapitulieren oder uns zu verstricken und aufzureiben. Schauen wir also unbestechlich wie ein Stellvertreter oder eine Stellvertreterin oder auch wie ein Leitender auf diese Welt. Illusionen, Denkverbote, Beschönigungen, praktizierte Uninformiertheit, Unwissenheit und der vorauseilende Verzicht auf das, was uns wichtig ist, sind keine Lösung. Im Gegenteil. Diese lösen unsere Methode, lösen das wissende Feld von Innen auf.

Mir geht es darum, uns alle darin zu bestärken, aus einem ganz eigenen unbestechlichen Blickwinkel, dem der systemischen Aufstellungen, auf die Themen in der Arbeit mit Klienten, Kolleginnen und Kollegen aber auch auf die uns umgebende Kultur und Gesellschaft zu schauen. Dazu gehören die zentralen Einsichten über Transgenerationalität, Stellvertretungsdynamik, Ausgleich, Ordnungen, die Schichten des Gewissen und vieles mehr. Um dabei nicht die Anfänge zu wiederholen, gehört dazu vielleicht auch, die ganz bewusste Entscheidung,  zunächst und vor allem einen eigenen inneren Raum der Ruhe und Zuversicht, unser inneres Feld der Offenheit und Wahrheit in uns selbst zu schaffen, den wir zum Schauen brauchen. Vielleicht ist das sowieso die jetzt anstehende Aufgabe in den kommenden Jahren? Es läge dann an uns, diese Aufgabe in Freiheit auch zu nehmen …

In diesem Sinn wünsche ich schöne Erkenntnisse, Freude, Mut und ein „breites Kreuz“.

O.N.

Magazin PdS
Dies ist die redaktionell begleitete digitale Version der „Praxis der Systemaufstellung“, wie Sie sie kennen. Texte, Videos und Audios zu wichtigen Themen der Aufstellungsarbeit und benachbarter Bereiche werden hier von Autorinnen und Autoren selbstständig erstellt oder von der Redaktion bei der Erstellung betreut, ausgesucht und dann veröffentlicht. Interessante Beiträge an anderer Stelle werden in einer Linkbox zur Verfügung gestellt.

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FORUM interaktiv
Hier öffnen wir einen neuen Bereich innerhalb der Bibliothek, die die PdS ja auch ist – das Konferenzzentrum: ein Ort, an dem Video-Live-Konferenzen, Podiumsdiskussionen, der offene Lesekreis und auch erweiterte Redaktionstreffen stattfinden werden. Weitere Nutzungen sind vorstellbar. So können sich hier Arbeitsgruppen treffen und auch ihre Dokumente und Texte in einem geschützten Bereich lagern. Letzteres ist allerdings noch Zukunftsmusik.