Aufstellungsarbeit goes Netflix
Kaum zu fassen: Die erste romantische Serie, deren Plot-Grundlage die Aufstellungsarbeit ist, auf dass die persönlichen Krisen und Entwicklungen der Protagonisten Fahrt aufnehmen, ist seit diesem Jahr 2022 zu sehen: Ein anderes Selbst (Originaltitel: Zeytin Ağacı) hat 8 Folgen, jede um die 50 Minuten lang. Die Serie ist eine türkische Produktion und spielt auch in der Türkei. Die Kurzübersicht zeigt „hautnah, herzergreifend, Drama“ an. Es geht um die Traumata der Ahnen und denen der Serienfiguren der Jetztzeit, die sich in leidbringenden Verhaltensweisen und Symptomen äußern: Krebs, Anhänglichkeit, Ängste, Aggression, Erfolglosigkeit, „falsche“ Partner:innenwahl und anderes. Wir sehen in jeder Folge mindestens eine Episode aus einer Aufstellung für eine mehr oder minder Aufstellungen gegenüber kritische Serienfigur, erfahren die Geschichte dahinter und können die heilsame Lösung mitverfolgen. Es gibt Drama, Katharsis, Happy End. Letzteres zeigt erwachsenere, gesündere Menschen, die in der Stimmung eines tiefen und erlösenden Aufatmens vor der nächsten, bereits sich andeutenden Krise, für die unvermeidliche Hochzeit zusammen kommen… Der Rest ist Zukunft, nur eingeschränkt durch die Gesetze einer Netflix-Welt. Wer weiß, vielleicht gibt es weitere Folgen dieser Serie – mit Sicherheit wird dies nicht die letzte Filmproduktion gewesen sein, die unterhaltende Geschichten auf der Basis systemischer Erfahrungen und mit phänomenologischem Weltzugang erfindet.
Da ich mich selten auf Netflix tummele, bin ich durch eine meiner Töchter (Endzwanziger und Zielgruppe) auf die Serie aufmerksam geworden. Ich war natürlich gespannt und – einmal mit Akzeptanz bezüglich der Machart der Herzschmerz-Serienwelt ausgekleidet – hatte ich schließlich meinen Spaß. Ich habe mitgefiebert, den Aufstellerkollegen aufmerksam und zur Zufriedenheit (oder war es Erleichterung?) beobachtet, ich habe mich an den Bewegungen der Seele erfreut, Rituale erkannt und alle Abwehrhaltungen und kritische Distanzen. Neue Begriffe gab es auch: Familienentfaltung oder Wurzelarbeit statt Familienaufstellung zum Beispiel. In die eine oder andere Stellvertretung habe ich mich hineingespürt. Ich war den Cliffhängern erlegen. Wunderbar. Natürlich war alles dramatisiert, es gab mystische Sounds zur Kenntlichmachung des „Eintritts“ in die stellvertretende Wahrnehmung, innere Monologe der Stellvertretungen, Schnitte und Überblendungen von Szenen zur Geschichte der Ahnen und den dazugehörigen Stellvertreter-Szenen in der Aufstellung – fast könnte man Lehrmaterial daraus machen. Ansonsten wurde selbstverständlich kein Klischee ausgelassen, es gab in der Hauptsache schöne, junge, gebildete und wohlhabende Menschen, im Mittelpunkt drei Freundinnen, die sich Süße und Schatz sogar dann nennen, wenn sie gerade streiten, alles in perfekt gestylter und sommerlicher Urlaubsidylle, ich meine gesehen zu haben, wie in der Ferne das Traumschiff vorbeigefahren ist. Hach. Zum Glück habe ich in vier Tagen selbst Urlaub, sonst hätte ich alle Dramen verdichtet in Kauf genommen, nur um sofort nach Ayvalık zu fahren und mich vom echten Weltschmerz zu erholen. Und eine Aufstellung bei Zaman, dem schamanisch angehauchten Aufsteller, hätte ich auch gebucht. Kritik zum Schluss? Hm. Soll ich die ohnehin bei manchen Menschen latente Heilserwartung erwähnen, die durch solche Aufstellungssoaps befördert werden könnte? Mit nur einer Aufstellung reinen Tisch machen etwa? Hm. Nö. Erwähn ich nicht. Ich schwelge noch ein bisschen in der Freude darüber, dass Aufstellungen jetzt serientauglich normal sind…
Kerstin Kuschik, August 2022
Bewusstsein und Forschung
„The 1 Field“ von Tsipi Raza aus 2019
Von Elke Foster-Mahle, Kerstin Kuschik und Hildegard Wiedemann
Der Film „The 1 Field“ von der Regisseurin Tsipi Raza wurde 2019 in Israel produziert und wurde auch größtenteils dort gedreht. Er zeigt in vielen Schnitten je kurze Sequenzen von 12 Experimenten und Veranstaltungen, die aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf die Frage schauen, wie wir jenseits von Vorstellungen über Materie durch ein „Feld von Energie“ miteinander als Wesen, als lebendige Natur … als Erscheinung im Universum und Teil davon verbunden sein könnten. So forscht ein Team von Wissenschaftler*innen darüber, welchen Einfluss große Gruppen-Meditationen, die über die Welt verteilt zur gleichen Zeit stattfinden haben könnten, eine andere, ob sich Fernwirkungen auf Objekte wie etwa Wasser zeigen lassen wenn auf sie Konzentration und starke Emotionen gerichtet werden, ein Wissenschaftler forscht darüber, wie Blutkörperchen in einer Blutprobe durch Gesang(sschwingungen) beeinflusst werden, ein Mann bringt sich in Kontakt mit einer, wie er sagt „Wesenheit“, und vermittelt Botschaften. Mit viel Technik und diversen elektronischen Messmethoden, eigens entwickelten Geräten wird versucht zu messen, was sich auf körperlicher Ebene messen lässt: elektromagnetische Felder, die Anzahl von Zellen und deren Vitalität, die Entwicklungsrichtungen von Stammzellen nach verschiedenen Umwelteinflüssen, Puls und andere Vitalfunktionen der Probanden und anderes. Eines ist klar, steht damit also nicht in Frage: alle Beteiligten haben persönliche und vielfache Erlebnisse dazu gebracht, sicher darin zu sein, dass wir verbunden sind, dass diese Verbindung keine materielle ist, und auch nicht linear an physikalische Phänomene wie Raum und Zeit gebunden sind. Dieses eine Feld wird versucht zu erfassen und zu erklären. Der Film kann als Pendant zu dem in 2004 in den USA veröffentlichten Film „What the bleep do we know?“ betrachtet werden. Er hat die gleiche Machart, mit vielen ähnlichen Experimenten und Aussagen, mit Beteiligten, die ähnliches forschen und auch mit gleicher Medien-Kritik von der Einordnung als pseudowissenschaftliches Dokudrama durch die Mainstream-Wissenschaft und Sektenbeauftragte sowie andererseits auch als beeindruckendes und mutiges Werk derer, die Interesse haben am Blick "hinter den Spiegel" (K.K.). Wir haben mit einer Gruppe Kolleg*innen den Film zusammen geschaut, einige stellen hier ihre kurzen Eindrücke nach dem Film zur Verfügung.
(die Red. K.K.)
Elke Forster-Mahle: Für mich ganz persönlich ist dieser Film ein Geschenk: zeigt er doch eindrücklich an vielen Beispielen wie wir miteinander verbunden sind, die Quantenphysik spricht hier von 'Verschränkung'. Ich kann für mich behaupten, dass ich es bereits mein ganzes Leben fühlen konnte, meine Intuition hat mich diesbezüglich stets sehr gut geleitet. In vielfachen Formaten habe ich genau diese Verbundenheit gespürt und gerade in den Systemaufstellungen lasse ich mich vom "Feld" führen, bin offen für alles, was sich zeigen möchte...
Ich hatte das grosse Glück, Gregg Braden und Bruce Lipton bereits live zu erleben und es hat mich inspiriert, meinen Weg genauso weiterzugehen, es war für mich in jeder Hinsicht 'stimmig'. Lynne McTaggert hat mich bereits mit ihrem Buch 'Das Nullpunktfeld' sehr angesprochen und in meiner Forschungsgruppe zur "Kraft der 8" haben wir eindrücklich sehr gute Erfahrungen sammeln könnten. Dankbarkeit und Demut sind mir in diesem Zusammenhang unabdingbar. Gerne würde ich diesen Film einem größeren Publikum wünschen, ein Erfahrungsaustausch ist einfach wertvoll.
Kerstin Kuschik: Ich habe den Film zunächst ohne Erwartungshaltung angefangen zu schauen, es war ein einfaches Interesse an dem, was sich gerade tut in der Bewusstseinsforschung. Hier habe ich kaum Neues erfahren. Ich konnte mich aber selbst wieder einmal mit Fragen verbinden und Erfahrungen, die etwas in den Hintergrund getreten sind. Zum Beispiel die Frage danach, wieviel „Beweis“ ich brauche und wofür, oder dass ich die Bedeutung der Wirkung von Musik und dem Singen auf unseren Organismus wieder mehr Raum beimessen möchte.
Der Film hat mich sehr eingenommen, vor allem, wenn ich in Kontakt gehen konnte mit der so tiefen Erfahrung des Wunders des Da-Seins und des Miteinander-Seins und ja, auch des Dazwischen. Menschen, die solche Aktionen wie im Film bringen, wie "Liebe" crossover in einem Teil der Erde (Naher Osten) zu meditieren, in dem seit der Geschichtsschreibung Angst und Krieg dominieren, berührt mich, wie überhaupt das nicht enden wollende Bemühen darum, sich zu verstehen und zu entwickeln, obwohl wir viele Gründe für Hoffnungslosigkeit haben könnten und wir alle in unterschiedlichem Maß fleißig weiter mit daran beteiligt sind, das fortzusetzen, was wir schon stoppen könnten. Oft berührte mich der Film auch so, wie ich es nicht mag, weshalb Widerstände stets dabei waren. Nicht prüfbare Ergebnisse, nicht nachvollziehbare Versuchsanordnungen, Verkündungshabitus, eine gehypte Erzählung, die auf Eindringlichkeit und Effekte setzt durch die Art der Musik und computeranimierte Standardbilder von Atomen, Embryo vor Universumshintergrund, Galaxien und bunte Gasnebel, Nervenbahnen und dergleichen, so wie sie jede aufgepimpte Doku nach amerikanischen Vorbild zeigt, wenn das Unerklärliche erklärt werden soll, haben mich genervt. Verkündigungsshows liegen mir gar nicht und Menschen, die sich in Szene setzen, indem sie sagen, sie tun gerade das nicht, sie seien nur im Dienst für andere, hinterlassen Argwohn. Meines Erachtens könnte gerade dieses Thema wunderbar auf solche Inszenierungen verzichten, mehr Zeit, mehrere offen gehaltene Berichte, Ruhe im Schnitt, mehr Raum für das eigene Spüren und damit auch das Vertrauen in die Zuschauenden, dass sie dies schon füllen können, wären für mich angemessener gewesen.
Hildegard Wiedemann: Der Film spricht von dem Feld hinter dem Schleier. Das erinnert mich an das „Seiende“, von dem der griechische Philosoph Parmenides spricht. Er vergleicht es mit der Vollkommenheit einer Kugel und sagt, dass wir mit der Vernunft das Seiende nicht erfassen können. Der Film zeigt Wege, wie wir nonmental Zugang zu dem Seienden bekommen können. Es ist möglich im Tönen, in der Stille der Meditation, im Lauschen in der Natur und Gemeinschaft. In dem Seienden ist alles vorhanden. Wir können uns dafür öffnen und an dem Wunderbaren dieses Feldes teilhaben. Antworten auf unsere Fragen sind möglich wahrzunehmen. Dies Feld heißt auch Licht-, Energie- oder Akashafeld und entspricht dem, was früher Gott genannt wurde. Der Film zeigt, dass wir im Kontakt mit diesem Feld auf der Erde heilvoll wirken können. Sehr beeindruckend!
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Jugend und Alter
Lisa Böhm-De Philipp
Was werden die Leute sagen, Norwegen, Deutschland, Schweden. 2017, Iram Haq
Ladybird, Amerika 2018, Greta Gerwig
Das schweigende Klassenzimmer, Deutschland 2018, Lars Kraume
Nacht der Nächte, Deutschland 2018, Yasemin Samdereli, Nesrin Samdereli
Liebe, Deutschland 2012, Michael Haneke, inzwischen als DVD erhältlich
Jugend und Alter: Filme über diese Lebensabschnitte gehören nicht zum Mainstream, von Zeit zu Zeit gibt es jedoch immer wieder gute Beispiele.
Jugend wird als Phase des Übergangs betrachtet, in der der Mensch nicht mehr Kind und noch nicht erwachsen ist. Einerseits sind die Eltern nicht mehr alleinige Bezugs- und Erziehungspersonen, die Peergroup, Nachbarn, die Medien, Internet, die Kirchen und staatliche Institutionen mischen entscheidend mit. Andererseits stoßen Sturm und Drang, verschiedene Stimmungen und Launen innerhalb der Familie auf Begrenzungen der Eltern und deren unterschiedliche Mittel darauf zu reagieren. Zentral ist das Thema Geschlechtsreife und Fortpflanzungsfähigkeit, das bei den Jugendlichen beiden Geschlechts Lust auf Ausprobieren erzeugt und den Eltern Angst macht. Das Schlimmste wird meist befürchtet: eine Schwangerschaft. Die quälenden Zweifel und zwingenden Fragen der Jugend nach dem „Wer bin ich?“ „Woher komme ich (biografisch, geografisch, spirituell)?“ „Was will ich, was will ich nicht, was soll ich, was muss ich?“ sind zur Selbstwerdung notwendig. Werden sie ernsthaft gestellt, können sie in Reflexion und Weiterentwicklung münden. Gefühlsmäßig wahrgenommen gehen sie häufig direkt in rebellische Handlungen, um aus einer empfundenen Enge auszubrechen. Im günstigen Fall begleiten die Eltern diesen konfliktträchtigen Prozess mit ihrem klaren Ja und Nein, wohlwollender Menschlichkeit, Weisheit und diplomatischem Geschick. Im ungünstigen Fall eskalieren Situationen derart, dass Nachbarn oder das verständigte Jugendamt eingreifen. Den Eltern bleibt dann oft nur noch die Anmerkung: „Wir woll(t)en doch nur dein Bestes“. Die Lebensphase als Übergangszeit zu bezeichnen beinhaltet den tiefen Wunsch, es möge schnell vorüber sein. Dass sie ihre Zeit braucht, notwendig und wertvoll für die Entwicklung von Persönlichkeit, Stärke, Resilienz, Konfliktfähigkeit und Konfliktbereitschaft ist, zeigen zwei Filme auf eindrückliche Weise.
Was werden die Leute sagen
ist das Erziehungsmotto einer pakistanischen Familie - ein Satz, der auch in Deutschland vor allem nach dem Krieg eine große Rolle spielte. Vermutlich gehört er zu Menschen, die aufgrund von Entwurzelung und Existenzängsten verunsichert sind und im Festhalten an traditionellen Werten und beim Ausprobieren von Neuem in den Augen von Anderen (Nachbarn) Halt suchen. Im Film bietet die pakistanische Tradition im Familien- und Freundesverband Rückhalt, steht aber auch einer Anpassung in Deutschland im Wege. Zu welchem Druck und welchen Auswüchsen es führt, wenn die außerfamiliären Einflüsse, erstmal nur in der Vorstellung, eine größere Rolle als die Familie spielen, zeigt der Film. Die Protagonistin befindet sich in einem Spannungsfeld von deutscher und pakistanischer Kultur, Tradition und Moderne, gewaltbereiter Erziehung der Eltern und einem ausgeprägten Autonomiebestreben und Freiheitsdrang. Zunächst ist nur der Vater das ausführende strenge Organ, die Mutter hält sich im Hintergrund. Weil die Tochter einen Jungen in ihr Zimmer lässt und küsst, bringt der Vater sie nach Pakistan zu seiner Schwester. Nach kurzer Zeit muss er aber feststellen, dass das ein erfolgloses Unternehmen ist und er geht in seiner Enttäuschung, Wut und Hilflosigkeit so weit, dass er seine Tochter fast umbringt. Als dann, zurück in Deutschland, die Mutter alles für eine Zwangsverheiratung in die Wege leitet, nimmt die Tochter noch mal alle Kräfte zusammen und bricht aus. Der unsichere Blick des Vaters drückt aus, dass er vermutlich gelernt hat, denn er bekommt es mit und bleibt untätig. Der Zuschauer hat die Tochter genug kennengelernt, um in ihre Resilienz vertrauen zu können, ist aber auch betroffen darüber, wie hart der Weg allein und ganz ohne Rückhalt der Eltern wahrscheinlich sein wird.
Ladybird
ist ein Film aus Amerika, der kulturelle Hintergrund ist unseren westlichen Vorstellungen entsprechend. Auch hier geht es um eine Tochter, die willensstark um ihre Autonomie und um ihr Frau werden kämpft. Vor allem geht es ihr aber auch um den Besuch eines guten Colleges in einer anderen Stadt, heraus aus einem für sie unerträglichen Kleinstadtmilieu. Für die Themen Sexualität, Selbstwerdung, Schulbildung sind hier in erster Linie der Besuch der Nonnenschule und die Gespräche mit der Mutter zuständig. Deren Motto, dass aus ihrer Tochter die beste Version ihrer selbst werden möge, führt sie zu vielen stimmigen Handlungen, manches hätte sie auch sein lassen können. Das erkennt sie selbst auch. Der Vater ist vorhanden, spielt aber nur dann eine Rolle, wenn es um die Finanzierung der Ausbildung geht. Die Sturm-und-Drang-Bedürfnisse der Tochter und die Grenzen der Eltern prallen auch in diesem Film aufeinander. Doch endet er damit, dass nach einem schmerzhaften Abschied und einer Kontaktpause die Schritte aufeinander zu wieder möglich sind. Das den Film abschließende Liebesgeständnis der Tochter bezieht sich vor allem auf die Mutter und die Heimatstadt.
Das schweigende Klassenzimmer
Der Film beginnt im Jahr 1956 und ist die Geschichte einer wahren Begebenheit. Die Grenzen der DDR sind noch offen, der Besuch in Westberlin ist möglich, im Kino wird die Wochenschau gezeigt. Die Abiturienten kehren mit der Information vom Ungarnaufstand in ihre Klasse zurück und regen eine Schweigeminute an. Die daraus entstehenden Repressalien lassen die Klasse zu einer zusammengeschweißten Gruppe werden, die zusammenhält bis der Druck von einem nicht mehr ausgehalten wird und er den Initiator verrät.
Fazit dieser zunächst jugendlich empörten, aber auch harmlosen und mutigen Handlung und deren brutalen Konsequenzen ist, dass daraus eine Kraft erwächst, die kritisch dem System der DDR gegenüber bleibt. Letztlich führt sie zur Flucht fast aller Beteiligten aus der zunehmend beengten Atmosphäre.
Die filmische Beschäftigung mit dem Alter ist für viele nicht sonderlich attraktiv, denn es muss gezeigt werden, dass die Blüte der Jahre vorbei ist, dass es um Abschiednehmen und Loslassen geht, dass der Tod im Blick ist und damit auch eine Vorbereitung auf ihn. Dies sind Aspekte, die eine Schwere beinhalten, die nicht immer ausgehalten werden kann. Dennoch hat jeder Lebensabschnitt einen speziellen Wert und das Alter ist eben auch die Zeit der Rückblicke, der Verarbeitung des Gewesenen und der Versöhnung mit dem, wie es war oder für jeden Einzelnen wie er wurde, was er ist. Wächst aus diesen Betrachtungen ein Alters-Humor, dann gelingt im besten Sinne ein Einverstanden sein, ein Abstand und eine Versöhnung mit sich selbst.
Nacht der Nächte
Gerade um diesen Humor geht es in dem Dokumentarfilm Nacht der Nächte, der vier Paare zeigt, die mehr als fünfzig Jahre zusammen sind. Wie sie sich gefunden und sich einander angenähert haben, mit Bedacht über ihre erste Nacht erzählen und ihre gegenwärtigen Gebrechen ansprechen, lässt sie selbst oft lachen oder schmunzeln, den Zuschauer auch. Der Umgang miteinander ist bei jedem Paar achtsam auf unterschiedliche Weise. So viele Jahre schweißen zusammen, egal wo auf dieser Erde: In Japan ein zwangsverheiratetes Paar, in Indien ein Paar, das die Kastenregeln mit einem Trick durchbrochen hat, in USA ein homosexuelles Paar, das sehr spät endlich heiraten durfte und in Deutschland ein Paar aus dem Ruhrgebiet, das sich im Nachkriegsdeutschland gefunden hat.
Eine bemerkenswerte Situation entstand dadurch, dass einer der Interviewten unmittelbar nach den Dreharbeiten gestorben ist. Diese Notiz erinnert an die Kürze der Zeit, die möglicherweise im Alter noch bleibt, um Wesentliches zu erledigen.
Liebe,
ein schon länger existierender Film, thematisiert nicht nur das gemeinsame Altwerden, sondern die wohl schwierigste Situation, die entstehen kann, nämlich Sterbehilfe für den Partner zu leisten. Die Frau, vom Schlaganfall getroffen, hat ihren nächsten Verwandten das Versprechen abgenommen, nicht ins Pflegeheim zu kommen. Dies wird vom Ehemann und der Tochter gegeben, natürlich ohne zu ahnen, was das eines Tages bedeuten könnte. Der Film liefert viele Argumente, warum dies als Weg gewählt werden kann, da die vom Schlaganfall gezeichnete Frau in ihren Verhaltensweisen zum alltäglichen Albtraum für den Mann wird. Letztlich könnte die Entscheidung seine Frau mit dem Kissen zu ersticken als ein Akt der Liebe verstanden werden, der ein für beide unwürdiges Leben beendet.
Eine Anmerkung: Die Familienaufstellungen werden salonfähig.
In diversen Fernsehfilmen taucht seit einiger Zeit die Methode des Aufstellens auf. Sie wird selbstverständlich als Methode erwähnt und gezeigt, um eine Situation dreidimensional sichtbar zu machen, und etwas zu verdeutlichen. Auf die anklingenden, aber nicht vertieften Erkenntnisse und die Möglichkeiten des Familienstellens wird nicht eingegangen.
Immerhin ein Beginn!
Beispiele:
Polizeiruf 110: Starke Schultern
Professor T: Blutlinien
Mai 2018, Lisa Böhm-De Philipp, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Anerkannte Weiterbildnerin für Systemaufstellungen (DGfS)