Polyvagal

Susanne Höhn
Susanne Höhn

 

Die Polyvagal-Theorie in aller Munde - und was hat das mit uns zu tun?

2020 habe ich in einer Fortbildung von Peter Levine zum ersten Mal von Stephen Porges Theorie erfahren und anschließend sein Buch dazu gelesen (2021). Seine Ausführungen waren sehr vielversprechend.

2022 kam ich dann an seiner Polyvagal-Theorie eigentlich gar nicht mehr vorbei: Bei der „International Constellation Conference im Mai stellte die Australierin Brenda Sutherland in ihrem Workshop „Walking the zone“ vor, wie sie Klienten darin unterstützt, ihr Nervensystem zu regulieren und sich selbst zu beruhigen, indem sie von einem Zustand des autonomen Nervensystems in einen anderen Zustand wechseln. Dies erfolgt durch die Aktivierung von eigenen Ressourcen. Im Juni habe ich teilgenommen. Dieser Kongress wurde vom Carl-Auer-Verlag und dem Leiter des Milton Erickson Instituts online veranstaltet. Ich bin dort Gunther Schmidt und anderen begegnet, die anhand dieser Hypothese Ihre Therapieform erklären. Und nun erklärt  auch Antonia Pfeiffer für die klopfenden Kollegen in ihrem Buch „Emotionale Erinnerung - Klopfen als Schlüssel für Lösungen“ die Wirksamkeit ihrer therapeutischen Vorgehensweise unter anderem mit der Polyvagal-Theorie.

Die eigenen therapeutischen Werkzeuge anhand der Polyvagal-Theorie zu erklären oder zu erläutern, scheint also gerade auf großes Interesse zu stoßen, möchte ich als Systemaufstellerin ebenfalls Stellung dazu nehmen. Ich selbst arbeite mit verkörperter Erinnerung in Aufstellungen und gehe davon aus, dass Nerven, Botenstoffe und Faszien diese Erfahrungen aufnehmen und wir durch die Reaktionen, die wir gelernt haben, auch aktuelle Herausforderungen meistern, wenn wir uns dieses Erfahrungsschatzes bewusst werden.

Zunächst jedoch eine kurze Zusammenfassung von Porges´ Thesen:

Klinische Beobachtungen sprechen inzwischen für die Feststellung von Stephen Porges, dass wir als soziale Säugetiere drei verschiedene Zustände unseres Nervensystems benutzen, um jeweils die beste Form für unser Überleben zu finden. Neben dem klassischen „fight-and-flight“- Zustand (Sympathikus) und dem „rest-and-digest“-Zustand (Parasympathikus) gibt es auch den „shutdown“ als physiologischen Zustand. Damit liefert Porges nun eine Erklärung für das, was viele Mensch bei Traumatisierung erleben und was von ihnen oft folgendermaßen beschrieben wird: „ich bin erstarrt/wie gelähmt/sprachlos/hilflos,/in einer ausweglosen Situation und kann mich nicht mehr bewegen/ich spüre nichts mehr“. Zu diesen Gefühlen stellen sich oft entsprechende körperliche Reaktionen ein, wie ein verlangsamter Herzschlag, ein fehlender Muskeltonus.

Porges unterscheidet zwischen einem evolutionär alten Vagus, der auf der Rückseite des Körpers verläuft und einem später entwickelten neuen Vagus, der vom Hals über den vorderen Oberkörper bis zum Zwerchfell verläuft. Welcher Zweig unseres Nervensystems aktiv ist, ergibt sich daraus, ob wir uns sicher fühlen. In diesem Zusammenhang haben Stephen Porges und Deb Dana das Bild von einer Ampel entwickelt.

  • Rot: Die Situation erscheint lebensgefährlich und aussichtslos, der Organismus reagiert mit Immobilisierung, Erstarren, „wie tot“. (Dorsaler Vagus)
  • Gelb: Erscheint die Situation „nur“ gefährlich (mit Handlungsmöglichkeiten), reagiert der Organismus mit erhöhter Aufmerksamkeit (Arousal) und der Bereitschaft, zu kämpfen oder zu fliehen. (Sympathikus/Arousal)
  • Grün: Wenn wir in Kontakt mit anderen Menschen sind, die uns signalisieren, dass „alles in Ordnung ist“, erscheint uns die Situation sicher. Nun nehmen wir Kontakt auf, regenerieren  uns, der Herzschlag und die Atmung beruhigen sich, Spiel und Nahrungsaufnahme, Sexualverhalten und Lernen können jetzt stattfinden. (Ventraler Vagus)

Im Hinblick auf systemische Arbeit in klassischen Aufstellungen in der Gruppe bedeutet dies Folgendes: Der Aufstellungsleiter nimmt sich eines Teilnehmers mit seinem Anliegen an, die übrigen Teilnehmer sind aktiv im Kreis dabei. 

Zunächst darf der Anliegengeber/Klient sein Anliegen vortragen und dieses wird von allen ohne Bewertung als Thema akzeptiert. Der Leiter erfragt Einzelheiten und signalisiert Verständnis, indem er äußert, wie er das Thema verstanden hat. Dadurch erfolgt bereits das, was die Polyvagal-Theorie als Grundvoraussetzung für den „grünen Bereich“ nennt. In einem ruhigen, strukturierten Rahmen beschäftigen sich andere Menschen wohlwollend gemeinsam mit den Gefühlen desjenigen, der ein belastendes Erlebnis hatte. Die körperlichen Signale dafür sind Lächeln, Augenkontakt, verbale und nonverbale Interaktion durch Zuhören und Verständnis. Der Anliegengeber/Klient erfährt zugleich auf mehreren sensorischen Ebenen (visuell/auditorisch), dass man sich gemeinsam darum kümmert. Dies alles sind nach Porges Kernelemente der Co-Regulation, der gemeinsamen Gefühlsregulierung/Beruhigung durch Bezugspersonen. Diese Co-Regulation mit einer Bezugsperson ist in der frühkindlichen Entwicklung lebenswichtig und ein Lernmodell, bevor wir in der Kindheit lernen, uns auch selbst zu regulieren.

Im nächsten Schritt wird der Anliegengeber/Klient eingeladen, Vertreter für bestimmte Aspekte zu wählen, insbesondere einen Vertreter für sich selbst. Dadurch entsteht eine weitere Entlastung, denn er muss nun seine Gefühle nicht noch einmal selbst durchleben, sondern dies wird von einem anderen für ihn übernommen. So kann er sich zurücklehnen und erleben, wie ein inneres Bild vor ihm neu entsteht und dabei auch Veränderungen auftreten können, indem die Stellvertreter ihren Impulsen folgen. Die aktivierte Erinnerung wird gemeinsam von allen Anwesenden getragen und dadurch erleichtert. Darüber hinaus wird sie durch neue Informationen aus dem Kreis der Teilnehmer verändert. Wenn derjenige, der das Thema eingebracht hat, die Änderung mitempfinden kann, ist er anschließend in der Lage, eine veränderte emotionale Erinnerung „abzulegen“.

Aus meiner Sicht sorgt die Unterstützung durch die gemeinsame Kraft der Gruppe unter Anleitung dafür, dass der Anliegengeber/Klient sich ein Thema  bewusstmachen kann, das er im „roten“ oder „gelben“ Zustand erlebt hat. Die Anwesenden tragen durch ihre zugewandte Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, sich in den Anliegengeber/Klienten und sein Thema hineinzuversetzen, dazu bei, dass er sich sicher fühlt und im „grünen“ Bereich ist und bleibt.

So kann dieses Erlebnis neu und anders erfahren werden. Dabei macht zunächst nur der Stellvertreter für den Anliegengeber/Klienten im Feld die direkte Erfahrung. Dies trägt dazu bei, dass dieser sich sicher fühlen kann.

Durch die Vorgänge im Kreis zwischen den Stellvertretern entsteht ein „Erinnerungs-Update“ (Terminus von Antonia Pfeiffer), das es dem Anliegengeber/Klienten in Zukunft ermöglicht, das damals erlebte Gefühl zumindest teilweise oder Schritt für Schritt zu überwinden. Dadurch reguliert er seinen Zustand in Bezug auf diese Problematik anhaltend neu und erlebt eine emotionale Entlastung, die sich wiederum auf viele Lebensbereiche auswirken kann.

Durch die Einbeziehung anderer Menschen in diesen Prozess entsteht ein Grundvertrauen unter den Anwesenden, das auch für weitere zukünftige Problemstellungen eine Basis bildet.

Da die systemische Arbeit davon ausgeht, dass Systeme sich in ihren Beziehungen zeigen, . denn diese Beziehungen nehmen Stellvertreter wahr. Sie positionieren sich so zu anderen Stellvertretern so, wie es sich für sie “anfühlt”. Damit wird zugleich die von Porges erforschte Co-Regulation verbessert, auf die Menschen neben der Selbstregulierung angewiesen sind.

Unser therapeutisches Angebot ist also in zweifacher Hinsicht im Sinne der Polyvagal-Theorie wirksam: Durch die Verstärkung der Co-Regulation und der Selbstregulierung. Unter der Voraussetzung, dass Aufstellungen selbst in einer Vertrauen schaffenden, sicheren Atmosphäre ablaufen aktiviert.

Die Polyvagal-Theorie kann daher in Bezug auf die systemische Arbeit in klassischen Aufstellungen eine Erklärung dafür bieten, dass es dem Anliegengeber/Klienten in der Folge besser geht. Was die Auswirkungen auf meine Arbeit betrifft, so hat mich die Polyvagaltheorie vor allem zuversichtlicher dahingehend gemacht, dass ich Klienten in jedem Zustand ihres Nervensystems erkennen und ihnen ein adäquates Angebot machen kann. Früher habe ich immer Sorge gehabt, jemanden nicht angemessen auffangen zu können, das ist jetzt einfacher für mich geworden und das spüren die Klienten auch, weil ich mit Zuversicht und Leichtigkeit meine Arbeit anbiete.

Susanne Höhn, Regionalsprecherin Bayern-Süd

 

Literatur

Porges, S.W. (2021). Die Polyvagaltheorie und die Suche nach Sicherheit, Heidelberg, Carl-Auer-Verlag.

 

 

Ergänzung vom 6. Juli 2023

Polyvagal, multifokal, multisensorisch: Neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die wir auf die Aufstellungsarbeit übertragen können in Bezug auf Sinneswahrnehmungen und das „Splitting“ der Aufmerksamkeit  

Bereits im letzten Jahr habe ich auf die Polyvagaltheorie als Erklärungsmodell für die positiven Effekte in der Aufstellungsarbeit hingewiesen (siehe oben). Dazu möchte ich nun ergänzen, dass es darüber hinaus neue wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die sich in anderen Therapie- und Coachingrichtungen durchsetzen und auch Phänomene unserer Arbeit erklären: Multisensorische Reize und dadurch ein "Splitting" (aufspalten) der Aufmerksamkeit.

1. Erkenntnisse der Wirksamkeit zur multisensorischen Aktivierung aus anderen therapeutischen Richtungen

In anderen Therapie- und Coachingmethoden wie Klopfen, Atemarbeit, EMDR und Brainspotting wurde inzwischen festgestellt, dass es schneller zu einer Veränderung von Verhaltensmustern und damit verbundenen Gefühlen kommt, wenn ein bestehendes Denkmuster durch multisensorische Stimuli beeinflusst wird. Dies nutzt zum Beispiel Michael Bohne in seiner Arbeit durch Klopfen in der Prozess- und Embodimentfokussierten Psychologie (PEP). Dass die multisensorische Intervention und das Aufspalten der Aufmerksamkeit die gewünschte Wirkung zeigt, erläutert Michael Bohne ausführlich in seinem Vortrag „PEP ist weit mehr als eine Klopftechnik“ auf dem Kongress „Reden reicht nicht!?“ in Bremen 2019 (als Video abrufbar, s. Literatur). 

Die Ärztin und Wissenschaftlerin Antonia Pfeiffer hat für diesen Prozess den Begriff „Erinnerungsupdate“ geprägt (2022, S. 118 ff). Antonia Pfeiffer stellt zu den erforderlichen Teilen eines transformierenden Prozesses folgende Gleichung auf: Reaktivierung der Erinnerung + Mismatch + emotionales Gegenerlebnis (S. 128).

Wenn wir dies auf unsere Arbeit übertragen, ist die Schilderung des Anliegens mit den emotionalen Reaktionen im Vorgespräch die Reaktivierung der Erinnerung. Dabei wird der Aufstellungsleiter die Körperwahrnehmung des Klienten erfragen und damit bewusst machen.

Das Mismatch erfolgt beim PEP-Klopfen durch die Selbststärkungsaffirmation, denn diese passt nicht zur Erinnerung. In der Aufstellungsarbeit ist die wertneutrale Aufmerksamkeit des Aufstellungsleiters und die Empathie der Gruppe das Mismatch, das im Prozess gebraucht wird, insbesondere die Zuversicht, dass sich Dinge/Gefühle/Beziehungen ändern können und dürfen.

Antonia Pfeiffer definiert das emotionale Gegenerlebnis bei PEP mit dem Klopfen und der dabei vorhandenen Exposition. In unserer Arbeit ist es die Aufstellung selbst, in der der Klient sein inneres Bild und dessen Veränderungen nun im Außen sehen/hören/erleben darf.

Multifokal bedeutet, dass der Fokus sich vergrößert. Normalerweise sind wir darauf gepolt, einen Sinn zu schärfen, um das, was wahrzunehmen ist, besonders umfassend und „scharf“ aufzunehmen. Ein Splitten der Aufmerksamkeit scheint allerdings nützlich zu sein, wenn uns eine unangenehme Erinnerung durchflutet. Der Coach/Therapeut kann ein solches Splitting hervorrufen, indem er dem Klienten während des Gesprächs zusätzliche Sinnesreize anbietet. Ich stelle mir diese Sinneseindrücke wie neue Verbindungen zwischen der konkreten Erinnerung und dem Hier und Jetzt vor.

Gesichtssinn, Tastsinn, Gleichgewichtssinn, Gehör und Vagusnervaktivierung: In den oben genannten Therapierichtungen werden der Tastsinn (Klopfen) oder der Gesichtssinn durch Augenbewegungen (EMDR/Brainspotting) aktiviert. Die Atemarbeit nutzt die Vagusnervaktivierung. Interessant ist auch die Herangehensweise von Peter Levine bei Somatic Experiencing, der im vertrauensvollen therapeutischen Gespräch mit Berührung (Füße), Summen („Wooo“-Laut) und Balanceübungen arbeitet, um Gleichgewichtssinn und alle Hauptfaszien zu aktivieren.

Das Prinzip ist bei all diesen Methoden dasselbe: Der Therapeut/Coach schafft einen sicheren Raum und spricht mit dem Klienten über das belastende Thema und seine entsprechende Körperwahrnehmung (Interozeption). Zugleich gibt er ihm Aufgaben, die seine Aufmerksamkeit auf mehrere Vorgänge (innen und außen) richten und entsprechende Sinneswahrnehmungen hervorrufen.

Dieses neue sensorische und motorische Erleben verbindet sich dann mit der durch die Arbeit mit dem Therapeuten bewusst gewordenen Körperwahrnehmung, die mit der belastenden Erinnerung verbunden ist. Dadurch wird deren emotionale Wirkung offensichtlich schwächer, denn die damit verbundenen Gefühle sind nur noch ein Teil und nicht mehr die ganze Wirklichkeit.

2. Sinneswahrnehmungen und Aufmerksamkeit in der Systemaufstellung

Grundsätzlich ist jede unserer zwischenmenschlichen Begegnungen vom Körperempfinden geprägt. Deswegen fängt unser Gespräch auch meist mit einer Frage nach dem „Innen“ an: „Wie geht es dir?“ „Gut/Geht schon/Muss ja.“ Damit fasse ich als Antwortende das Ergebnis von sehr vielen Mikroprozessen zusammen, die insgesamt mein Befinden beeinflussen.

Im englischen Sprachraum wurde für die bewusste Wahrnehmung der eigenen Körperbefindlichkeit der Begriff felt sense von Eugene Gendlin, Begründer des „Focusing“ geprägt. Eugene Gendlin meinte mit „felt sense“ das Gefühl, das ein bestimmtes Thema im Körper hervorruft. Einen weiteren Eindruck bekommt man in seinem Lehrfilm „Searching and Discovering your felt sense“ (als Video abrufbar, s. Literatur).

Damit wird allmählich wissenschaftlich erforscht und als wirksam nachgewiesen, was seit jeher die Basis der Aufstellungsarbeit ist, nämlich Körperwahrnehmung, Interozeption oder auch „felt sense“ der Stellvertreter und des Klienten. In einer Aufstellung erleben die Teilnehmer stellvertretend eine Situation und bringen sie entsprechend zum Ausdruck. Damit ist die Körperwahrnehmung, die bewusste Interozeption, unser wichtigstes Werkzeug. Der Klient hat sein Thema. In einer Gruppenaufstellung ist der Aufstellungsleiter mit allen im Dialog, mit den Stellvertretern und auch immer wieder mit dem Klienten. Zentral ist die Frage „Was nimmst du wahr in deinem Körper und im Verhältnis zu den anderen Stellvertretern?“.

Des Weiteren kann in Aufstellungen auch der Tastsinn eine Rolle spielen, wenn die Stellvertreter sich berühren. Beziehungen sind dynamisch und Berührungen sind ein Ausdruck von Annäherung, Unterstützung, aber auch Abgrenzung. Da der Klient also nicht nur sieht und hört, sondern miterlebt, ist dieses Erlebnis so intensiv und, selbstverständlich, multisensorisch. Gleichzeitig bindet der Aufstellungsleiter immer wieder durch seine Nachfragen die Interozeption des Klienten mit ein, indem er ihn fragt, was er in sich wahrnimmt und wie es ihm geht. Die Aufmerksamkeit des Klienten ist geteilt: Er nimmt zugleich das Bild im Außen wahr und seine Empfindungen/Körperwahrnehmungen, die darauf reagieren. Das ist multifokales „Aufspalten“ (Splitting).

3. Fazit 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nicht nur die Polyvagaltheorie ein Erklärungsmodell für die Wirksamkeit der Aufstellungsarbeit liefert, sondern auch für die die zunehmenden wissenschaftlichen Hypothesen, nach denen multifokale und multisensorische Interventionen offensichtlich die Erinnerungstransformation erleichtern. In der Aufstellungsarbeit wurden schon immer multisensorische Angebote gemacht, die zu einem multifokalen Splitting der Aufmerksamkeit führen. 

Als Aufstellungsleiter können wir in der Arbeit zusätzliche multisensorische Angebote einbringen. Dabei kommt es auf das Thema und den Klienten an, inwieweit Tastsinn, Geruchssinn oder Vagusnerv stimuliert werden können. Ich klopfe mit dem Klienten und der Gruppe, wenn die emotionale Aktivierung im Gespräch sehr stark ist. Dies tue ich, um sicherzugehen, dass der Klient das Bild der Aufstellung ruhiger aufnehmen kann. Durch das Klopfen reduziert sich der Alarmzustand (Sympathikus) (Zur Technik von PEP: Bohne, 2022). Auch Atemtechniken zur Vagusnervaktivierung haben sich als sehr hilfreich erwiesen. Unter Umständen, wenn Klienten oder Stellvertreter Interesse zeigen, kann auch eine Aktivierung des Geruchssinns unterstützend wirken. Möglicherweise ist auch an Balanceübungen im Sinne des Somatic Experiencing zu denken.

Insgesamt ist die wissenschaftliche Erforschung unserer „Zutaten“ jedenfalls eine sehr erfreuliche Entwicklung für die Aufstellungsarbeit!

 

Literatur

Pfeiffer, A. (2022). Emotionale Erinnerung – Klopfen als Schlüssel für Lösungen. Heidelberg: Carl-Auer-Verlag.

Bohne, M. (2022). Bitte klopfen! Anleitung zur emotionalen Selbsthilfe, Heidelberg, Carl-Auer-Verlag.

Bohne, M. (2019) https://www.youtube.com/watch?v=3uiJWoxtM0s, Zugriff am 6. Juli 2023

Gendlin, E. (Jahr unbekannt). Searching and discovering your felt sense.  https://www.youtube.com/watch?v=of1oXQmZelc. Zugriff am 29.7.2023.

 

Susanne Höhn, anerkannte Systemaufstellerin und Rechtsanwältin, www.susannehoehn.de, Regionalsprecherin Bayern-Süd

 

 

Kommentare

Kommentar von Jan |

Liebe Susanne,

mit deinen Beiträgen hast du meine volle Zustimmung. Die Polyvagaltheorie akzentuiert die für uns als systemische AufstellerInnen so zentralen Themen SICHERHEIT und VERBUNDENHEIT und hinterlegt eine durch naturwissenschaftlicher Forschung fundierte Theorie. Diese ist in ihren Kernaussagen sehr einfach, gut nachvollziebar und wie Deb Dana ausbuchstabiert hat, für die beraterisch-therapeutische Praxis leicht anwendbar.

Durch die Brille der Polyvagaltheorie können Aufstellungen und einzelne Prozessschritte sowie das Leitungshandeln und die Beziehungsgestaltung zu unseren Klienten differenziert betrachtet werden. Mehr noch: Aufgrund des hinterlegten Modells der verschiedenen Zustände unseres autonomen Nervensystems können Interventionen und Prozessschritte noch gezielter ausgerichtet werden.

Ich selbst habe mit ersten Formaten und Übungen angeregt durch die Polyvagaltheorie in meiner aktuellen Weiterbildung gute Erfahrungen gemacht.

Ich wäre sehr interessiert an einer Auseinandersetzung mit Interessierten AufstellerInnen zum Thema Polyvagaltheorie und Aufstellungsarbeit. Vielleicht ist dir da ja schon eine Runde bekannt oder Interessenten?

Herzliche Grüße
Jan Prisor